Wir gehen ins Feld, gestalten Ökosysteme, ernten low hanging fruits und sprechen über Firmenkultur (von lat. "cultura": "Bearbeitung, Anbau, Pflege") – unsere Arbeitssprache ist voller Metaphern über unser Verhältnis zur Natur und gleichzeitig ist der moderne Büroalltag von ihr entkoppelt wie kaum ein anderer Lebensbereich. Stefanie Fellinger über einen Feldversuch, der seinen Namen verdient und eine reiche Ernte für das Team. Mit Anleitung. (Anm.: Diese Geschichte hat Stefanie statt einer Präsentation geschrieben, um das Team bei tochter für den Feldversuch zu gewinnen. Wir sind überzeugt, dass alle davon profitieren können, darum veröffentlichen wir sie hier.)

Seit letztem Sommer bin ich bei tochter angestellt. An den übrigen Tagen verbringe ich meine Zeit auf Feldern, Beeten, Gärten in Wien und Salzburg, bin sozusagen Stadtlandwirtin geworden. An vielen Wochentagen komme ich deshalb nicht mit Kopfhörer und Laptop, sondern dem Rucksack voll Ernte und schmutzigen Händen und Schuhen nach Hause. Der Anteil meines Lebens, den ich bewusst analog, mit Händen in der Erde verbringe, hat sich von 0 auf fast 30 % erhöht.

In dieser Zeit hat sich in mir eine Geschichte geschrieben, die sich erst jetzt als Ganzes gezeigt hat. Eine Geschichte, die offen gesprochen ziemlich emotional für mich ist, weil sie Teil meiner Selbstentwicklung und einer großen Veränderung war, die ich noch sehr unwissend vor einem Jahr angestoßen habe.

Sie wurde begleitet von vielen ungläubigen, verwirrten Fragen aus meinem Umfeld: Du bist Strategin, textest und legst Blumenfelder an? Viele verstanden nicht, warum ich diesem Bereich plötzlich, ohne Ausbildung oder Absicht, damit Geld zu verdienen, so viel Zeit einräumte und dabei gleichzeitig auf vieles andere verzichtete. Ich wusste es genau. Aber ich konnte es nicht beschreiben. Heute kann ich es.

Für mich ist die Arbeit am Feld die beste Therapie der Welt – darum wurde ich vor einem Jahr Stadtlandwirtin.

Aus dem Kontrast aus analog und digital, aus Arbeit mit den Händen und Arbeit mit dem Hirn, aktivem Tun und aktivem Denken kann so viel entstehen – für Gesundheit, Energie, Perspektiven, für einen echteren Zugang zur eigenen Kreativität und große Klarheit für viele große Entscheidungen.

Eine Konsequenz unserer digitalen Zeit ist, dass wir digital oft als den Zweck, den Mittelpunkt unseres Tuns und nicht mehr als Tool sehen. Dabei geht aber gerade in unserem Arbeitsleben etwas Wichtiges verloren: Wir sind so eingenommen und begeistert von den digitalen Möglichkeiten, dass wir vergessen, dass viele der besten Ideen und Kampagnen der Welt analog, mit Stift und Papier begonnen haben.

In den Worten von Rick Rubin: Denken wir an einen Pantone-Fächer im Vergleich zu einer Tomatenstaude oder einem Feld voller Ringelblumen. Wie viel mehr Farbschattierungen können wir hier finden? Ich bin überzeugt, wir können mehr von unserem Arbeitsumfeld verlangen.

Was dürfen wir als Arbeitnehmer:innen?
Im Herbst 2022 haben wir uns bei tochter gefragt, was wir als Arbeitnehmer:innen dürfen. Jede:r einzelne im Team hat Ideen beigesteuert, einige davon waren:

Wir möchten mehr Bio-Produkte verwenden! Wie ist es möglich Raum wie unser Büro für Off-Zeit zu nutzen? Ein Tiny Haus im Grünen, das wär’s? tochter kann auch Hände! Ich möchte etwas Handwerkliches machen, analog arbeiten! Oder können wir die Natur unterstützen und ein Stück Wald kaufen? Können wir Gastro machen? Ein tochter Garten, das wär schön!

So entstand die Idee, als Unternehmung 2023 ein eigenes Feld, in Wien, zu beackern und Gemüse anzubauen.

Gesagt, getan, beziehungsweise gebucht. Bald darauf saßen mein Kollege Lukas und ich am Hörer und wollten freudig, aber noch sehr ahnungslos bei unserem Partner Infos erfragen. Wie funktioniert denn das mit dem Feld jetzt nun? Gleichzeitig erzählten wir, dass wir das nicht als Privatpersonen, sondern als Firma gebucht hatten. Die Reaktion auf diese Information war erstaunlich:

Achso, ist das eine Art Beschäftigungstherapie für sie als Firma? Warum die Frage berechtigt ist, aber auch nicht.

Mich hat diese Reaktion im ersten Moment ziemlich wütend gemacht. Und danach umso mehr bestärkt, dass wir hier etwas tun, was wirklich Wirkung haben kann.

Was bringt ein Feldversuch einer Firma und ihren Menschen?
Natur ist integraler Teil unserer Kultur. Da wollen wir ansetzen. Um das was wir über uns sagen und auf unserer Website schreiben, tatkräftig in die Realität umzusetzen: Bei uns selbst anfangen. Bei unserer Unternehmenskultur. Manchmal komplett loszulassen, was wir gelernt haben, Neues zu probieren und genauso unsere innere Kritiker:in – Wie? Kann ich das? Und wann überhaupt? Und machen die anderen da mit? – zum Verstummen zu bringen.

Unser aller Ertrag
Schließt die Augen und stellt euch vor: Wollen wir mehr Meetings an der Luft, in der Sonne haben, dieses Jahr? Stühle, ein Tisch (eine Kühlbox) und unser Office hat einen neuen Outdoor-Ableger.

Wollen wir unsere Kühlschränke dieses Jahr mit viel selbst gepflanztem Gemüse füllen? Die Fläche wurde seit Jahren nicht genutzt und von den Pionier:innen unseres Partners nun für uns und viele andere aufbereitet. Der Boden ist gut, keiner weiß wie das Wetter wird und wie die Pflanzen gedeihen. Je besser wir uns kümmern, abstimmen, zusammenhelfen, desto mehr Gemüse können wir selbst für Büro und zuhause nutzen.

Wollen wir an einem Tisch zusammen mit einem Koch, das Beste aus unserer reichen Ernte holen? Wir sagen Sommer Pop Up! Anstatt uns nur bekochen zu lassen, veranstalten wir mit einem Koch einen gemeinsamen Koch-Abend.

Das alles bietet uns das Feld. Und so wie das Feld wächst, werden wir auch als tochter wachsen. Augen auf und …

Hände hoch fürs Hände schmutzig machen: Was jede:r beitragen kann.

Trauen wir uns, dieses Feld zu erkunden?
Was wäre, wenn ihr euch vorstellt, dass 25qm Gartenfläche, nur 30 Minuten von hier, uns allen gemeinsam zur Verfügung stehen, um alle diese Punkte eigenständig möglich zu machen, einen Garten als Teil unserer Unternehmung zu sehen, analoge Zeit neben die Digitale stellen, etwas wirklich Neues für uns alle machen.
An diesem Punkt der Geschichte fragt euch bitte: Bin ich schon dabei? Brauch ich noch mehr Überzeugung?

Mit Händen, Hirn und Herzen arbeiten
Der Garten ist ein Nährboden für Neugier, Empathie und Mut. Individuell und als Kollektiv. 15 Sorten wachsen ab nun, täglich bis Oktober oder November auf unserem Feld. Diese Aufgabe, die sich daraus für uns ergibt, ist nicht immer nur einfach. Und genau deshalb so wertvoll. Wir wollen diesen Garten pflegen wie wir tochter pflegen. Nicht jede/r muss voll Hand anlegen, das respektieren wir. Aber wenn wir alle gemeinsam ein kleines Stück beitragen, können wir Größeres schaffen, uns als tochter weiterentwickeln. Und sich um einen Garten zu kümmern, schärft unser Verständnis dafür, wie viel Einfluss wir in jedem Moment haben.

“Leben einzeln und frei wie ein Baum und brüderlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht” – Nazim Hikmet

(oben) die erste Ernte, das tochter Feld, Rote Beete & das Gewächshaus

Unser aller Beitrag
Jetzt die beste und schlimmste Nachricht zugleich: Am Feld zählt wirklich jeder kleine Handgriff. Ein Feld ist ein dynamisches Ökosystem, das abhängig von vielen Faktoren ist (wie oft verwenden wir diese Begriffe in der Arbeitswelt?). Viele Faktoren, die wir nicht kontrollieren, nur beobachten können; auf die wir oft nur reagieren und nicht vorausplanen können. Als Team sind wir dem gewachsen. Wir haben gesehen, wir sind eng verbunden. Das möchten wir über ein Feld weiter stärken.

Das hört sich jetzt weit weg und anstrengend an.
Auch bei mir sind ab Minute 1 im Feldversuch überraschend viele Fragen und Ängste aufgetaucht: Wie ergeht es mir da? Bin ich offen genug mich überraschen zu lassen? Lerne ich dabei gerade etwas oder ist das verschwendete, mühsame Zeit? Gehe ich aus meiner Komfortzone? Was tue ich, wenn ich nicht weiß was zu tun ist?

Aber in letzten 9 Monaten, in denen ich wöchentlich aufs Feld ging, hat sich für mich so vieles verändert. Was anfangs mühsam und ungewohnt war, ist in nur wenigen Wochen normal geworden, hat fast meinen ganzen Fotospeicher am Handy gefüllt, sich natürlich in meinen Alltag integriert und ist immer mehr geworden, und alles Gemüse was ich esse, kommt seit einem halben Jahr vom Feld. Für mich gibt es kein Zurück mehr.

Denn die besten Dinge im Leben, entstehen (fast) immer da, wo es sich erst schwierig anfühlt. Seid ihr bereit für eine reiche Ernte?

Stefanie Fellinger ist seit Sommer 2022 bei tochter angestellt. Sie beschäftigt sich mit Strategie, Worten und Natur. Nebenbei gärtnert sie in der City Farm Augarten. Außerdem hat sie bereits für nationale Marken Beete angelegt.

Bildmaterial: Ackerhelden Standort Donaufelder Straße 84 © Ackerhelden

Stefanie Fellinger | 18.4.2023